„Ich hasse Geburtstage. Am liebsten würde ich wegfahren. Ich werde wieder ein Jahr älter – und was ist das für ein Grund, zu feiern… dass ich ALT werde?“, antwortet Freundin M. und guckt mich verständnislos an, als ich sie frage, wie sie ihren 45sten feiern wird.
Dieses Gespräch ist ein paar Jahre her – und gestern hatte ich Geburtstag. 48 bin ich nun. Oh, Moment, wie war das? „Über ihr Alter spricht eine Frau nicht“ – ach nein? Warum nicht? Und warum zur Hölle ist es unhöflich, eine Frau nach ihrem Alter zu fragen? Weil die Gesellschaft trotz aller „Pro Aging“-Produkte und „Ü40 und fabelhaft-Bücher“ daran festhält, dass Älterwerden den Frauen einfach nicht so gut steht? Dass wir uns für unser Alter schämen, uns trimmen und glatt halten sollen? Hier ein bisschen ziehen, da ein bisschen drücken und cremen, aber ey verflixt – in der „Blabla-Dingsbums“ stand neulich gleich neben der neuen Diät und den News von Kim Kardashians Hintern, dass man das wahre Alter an den Händen erkennt. Was machen wir denn jetzt? Den ganzen Tag Handschuhe tragen? Lange Ärmel zum Must-have erklären? Ganz ehrlich? Scheißt doch drauf. Feiert, Ladies! Zieht an, was Ihr wollt, schminkt Euch oder schminkt Euch nicht, zieht Euch nen Nasenring, fahrt Rollerskates, tragt knallroten Lippenstift, mörderische High Heels oder dicke Boots, lacht laut, brüllt im Fußballstadion, erzählt dreckige Witze und hüpft auf Konzerten – oder auch nicht.
Ich habe von einer Freundin eine tolle Namenskette geschenkt bekommen. Kennt Ihr diese Ketten mit dem geschwungenen Schriftzug? Auf meiner steht nicht „Julia“, auf meiner steht „Schnaps“. Finde ich extrem lustig, feiere ich sehr. Ob das altersgemäß ist? Pffff. Ich werde sicherlich nicht mehr innerlich die Gesellschaft befragen, ob ich etwas tragen, sagen oder denken darf. Zu dieser Einstellung würde ich übrigens meinem 20jährigen Ich raten. Aber ich schweife ab. Zurück zur Frage, ob ich meinen Geburtstag feiere, obwohl es nicht der 25ste ist. Natürlich! Warum? Weil ich es kann. Es ist für mich ein wunderbarer Grund, zu feiern, dass ich älter werden darf! Was ist denn schon Lebensfreude, wenn ich nicht feiere, dass ich gern lebe? Nein, ich bin nicht krank, nehme aber trotzdem meine Gesundheit und mein Leben nicht als selbstverständlich.
Also JA! Natürlich feiere ich meine Geburtstage – ich bin hier. Ich darf dieses neue Jahr feiern – und dafür bin ich verdammt nochmal dankbar. Und nein, es geht nicht um hinkende Vergleiche wie „Wie, Du magst Dein Essen nicht, denk an die hungernden Kinder in Afrika“ – es geht um eine Perspektive, für die ich mich aktiv entscheiden kann. Mit etwas Demut und ja, auch Dankbarkeit – und natürlich gehört mit der wachsenden Erholungszeit nach Parties und den Falten, die definitiv nicht nur Lachfalten sein können, auch etwas Humor dazu. Abgesehen davon hat Attraktivität und Schönheit – innere wie äußere – für mich absolut nichts mit Jahreszahlen zu tun.
Natürlich rücken wir der Endlichkeit mit jedem Jahr näher – und das kann sich bedrohlich anfühlen, die Vorstellung, dass meine Zeit oder die geliebter Menschen irgendwann vorbei ist – das lässt innerlich natürlich nicht die Korken knallen. Doch ändern werden wir es nicht – und beeinflussen kann ich nur eine Sache: Mit welcher Einstellung ich lebe.
Denn es ist mit dem Leben doch wie mit der Liebe: Aus Angst, verletzt zu werden, nicht zu lieben, kann das wirklich eine gute Wahl sein? Aus Angst, alt zu werden, nicht das Leben zu feiern, kann das eine gute Wahl sein? Hey, das hier ist keine Generalprobe. Wir haben nur diese eine Runde. Mit „sich grämen, dass ich älter werde“ die Zeit verbringen? Oder es so zu sehen: Mit 48 bin ich gerade mal 28 Jahre wirklich erwachsen. Wenn ich wie geplant 100 werde, dann liegen noch 52 Jahre vor mir. Wow! Das ist mal ne Aussicht.
Und wenn ich nun mit 40, 45 oder 55 auf ein Leben gucke, in dem nicht alles so ist, wie ich es mir erträumt habe? Wenn ich meinen Job hasse, mein Partner ne Wurst ist und ich eigentlich sowieso ganz anders bin als die meisten denken? Mensch, dann leg los! Du hast noch Jahrzehnte vor Dir, wenn alles glatt läuft. Mach doch was draus, worauf wartest Du? Niemand wird kommen, um Dir einen Passierschein in ein glückliches Leben auszustellen – nur Du selbst kannst Dir das erlauben.
Und ja, es gibt viel Schlimmes auf der Welt, es gibt Krankheiten, Kriege und Schicksalsschläge, und wenn Dich gerade etwas davon betrifft, dann bleibt die Musik auch mal aus, ganz klar: so eine Situation meine ich an dieser Stelle nicht, es geht mir nicht um krampfhafte Schönmalerei.
Aber wenn es der Alltag mit den weißen Strähnen, etwas steiferen Hüften und den herantrabenden Wechseljahren ist – dann kann ich nur sagen: Happy Birthday to me! Ich feiere nicht nur das Älterwerden. Ich feiere das Leben. Prost!
Schreibübung:
Wenn Dein Leben eine Party wäre – was für ein Fest wäre es? Wieviele und welche Gäste wären dabei, wen würdest Du nicht einladen, in welchen Farben ist dekoriert, gibt es ein Motto, wie ist die Musik im Verlaufe der Party, laut oder leise, Open Air, am Meer oder Fabrikhalle? Was gibt es zu Essen und gibt es Aufführungen, Spiele oder ähnliches?